Ozymandias was published @ Greenpeace Magazin Issue #3 2019

Binnen weniger Jahre schossen Protzbauten wie Pilze aus dem Boden. Kangbashi ist mehr bauwütige Ressourcenverschwendung denn bewohnbare Stadt. Im Portfolio ab Seite 90 zeigen wir diesmal die Arbeit des Fotografen Markus Sepperer über eine pompöse chinesische Retortenstadt, die weitgehend leersteht.

SCHEIN WAHREN - Jeden Abend erhellt eine Lichtshow Kangbashi. Mit einer Ausnahme jedoch stehen diese Gebäude leer.

EWIGER STILLSTAND - Die Stadt wurde ursprünglich für eine Million Menschen errichtet - rund ein zehntel davon lebt tatsächlich hier

ORTE OHNE PUBLIKUM - Das Luxushotel musste kurz nach der Erörrnung mangels Gästen schließen und auch den
beiden Statuen mangelt es an Besuchern. Sie befinden sich in trauriger Gesellschaft: Mehr als tausend kleine und große Monumente in der Stadt warten auf Bewunderer. Die Werbetafel in einem großen Einkaufszentrum lockt vergebens - denn Menschen laufen hier nur selten vorbei. Die meisten Läden stehen ohnehin leer. Das Rathaus, vor dem die chinesische Flagge flattert ist angesichts der tatsächlichen Einwohnerzahl der Stadt völlig überdimensioniert (von oben links im Uhrzeigersinn)

DUNKLE ZUKUNFT - Die Kohlemine auf dem oberen Bild liegt in der Nähe von Ordos . lch bin über die Hügel spaziert und stand
auf einmal im Tagebaugebiet" erinnert sich der Fotograf Markus Sepperer. Das fast leere Kohlelager auf der unteren Aufnahme
verdeutlicht den Niedergang der Scbwerindustrie in der Region. Seitdem neue Klimaziele gelten fiel der Kohlepreis ins Bodenlose. Damit endete auch der Bauwahn in Ordos abrupt.

WOHNSIEDLUNGEN WIE GEBIRGSKETTEN - Wohnblöcke säumen die monumentale Uferpromenade, auf der stets freie Fahrt herrscht. Markus Sepperer freute sich über solche Freiräume : “ Die Straßen in den meisten chinesischen Städten sind ja immer verstopft.”

PROMENADE OHNE FLANEURE - Kangbashi hat alles, was sich die Stadtplaner unter “lebenswert” vorstellen. Mitten in der Wüste Gobi ließen sie Alleen, Blumenwiesen, Parks, sogar einen künstlichen See anlegen. Vielerorts erinnert der Ort eher an einen Themenpark, denn an eine Stadt. Skurrile Skulpturen wie dieses Teeservice sollen die Folklore repräsentieren, Figuren von stürmenden Pferden Stärke demonstrieren.

Als China in der Inneren Mongolei Kohle fand, wurde in der Stadt Ordos das pompöseRetortenviertel Kangbashi errichtet. Doch der Boom blieb aus genau wie die Menschen, diehier leben und arbeiten sollten. "Was die Stadt 50 irre macht, ist diese Megalomanie", sagt der Fotograf Markus Sepperer über Kangbashi. Hunderte bronzene Pferde jagen über menschenleere Plätze, ausladende Treppen führen zu ausgestorbenenStadien, bombastische Brücken verbinden unbewohnte Stadueile ... Alles ist extrem aufgeblasen, man fühltsich wie in einem Themenpark, der nie zum Leben erwacht ist , erinnert sich der 41 jährige.Im Sommer 2018 entfloh er der Enge, dem Lärm und dem Smog Pekings und fuhr zwölf Stunden, um zur futuristischenAntithese der Hauptstadt zu gelangen. Einen Monat lang streifte er mit seiner Kamera durch verwaiste Straßenund hielt den geplatzten Immobilientraum in surrealistischen Bildern fest."Ozymandias" nannte Markus Sepperer deswegen auch seine Arbeit über die Geisterstadl. Entlehnt ist dieserTitel aus einem Gedicht des englischen Dichters Percy Bysshe Shelley über einen Wanderer, der in einerWüste auf ein zerfallenes Monument des Königs Ozymandias stößt und über die Vergänglichkeit irdischerWerke sinniert.Zurück in die chinesische Realität: Als man zur Jahrtausendwende in der Inneren Mongolei gigantische Kohlevorkommenentdeckte, gab es hier nur die glanzlose Großstadt Dongsheng. Kurz darauf benannte dieStadtverwaltung sie in Ordos um und hob den monumentalen Vorzeigebezirk Kangbashi aus der Taufe. Befeuert durch den neuen Reichtum aus dem Rohstoffgeschäft schossen binnen weniger Jahre Protzbauten wiePilze aus dem Boden. Doch der Kohlepreis fiel, und die Immobilienblase platzte schneller als Kangbashi fertiggebaut werden konnte. Weniger als 100.000 Einwohner leben nun auf dem Raum für eine Million Menschenund unterhalten Hotels, Blumenanlagen und Vergnügungsparks, denen die Gäste fehlen.Kangbashi ist mehr Mahnmal bauwütiger Ressourcenverschwendung denn bewohnbare Stadt. Sie ist eineBlüte des zentral geplanten chinesischen Gesellschaftsmodells", sagt Markus Seppercr, der sich schon inmehreren Fotoarbeiten mit der Urbanisierung Chinas auseinandersetzte.Derlei Kritik ist nicht gern gesehen: Zuerst sei er in Kangbashi von einem Auto verfolgt. dann von der Polizei verhört worden, Ein Unbekannter habe ihm am Telefon gedroht, ein Vertreter des AußenministeriumsEinsicht in seine Bilder gefordert. Ob er jemals wieder nach China einreisen darf weiß er nicht.

Texte : Svenja Beller

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