Als China in der Inneren Mongolei Kohle fand, wurde in der Stadt Ordos das pompöseRetortenviertel Kangbashi errichtet. Doch der Boom blieb aus genau wie die Menschen, diehier leben und arbeiten sollten. "Was die Stadt 50 irre macht, ist diese Megalomanie", sagt der Fotograf Markus Sepperer über Kangbashi. Hunderte bronzene Pferde jagen über menschenleere Plätze, ausladende Treppen führen zu ausgestorbenenStadien, bombastische Brücken verbinden unbewohnte Stadueile ... Alles ist extrem aufgeblasen, man fühltsich wie in einem Themenpark, der nie zum Leben erwacht ist , erinnert sich der 41 jährige.Im Sommer 2018 entfloh er der Enge, dem Lärm und dem Smog Pekings und fuhr zwölf Stunden, um zur futuristischenAntithese der Hauptstadt zu gelangen. Einen Monat lang streifte er mit seiner Kamera durch verwaiste Straßenund hielt den geplatzten Immobilientraum in surrealistischen Bildern fest."Ozymandias" nannte Markus Sepperer deswegen auch seine Arbeit über die Geisterstadl. Entlehnt ist dieserTitel aus einem Gedicht des englischen Dichters Percy Bysshe Shelley über einen Wanderer, der in einerWüste auf ein zerfallenes Monument des Königs Ozymandias stößt und über die Vergänglichkeit irdischerWerke sinniert.Zurück in die chinesische Realität: Als man zur Jahrtausendwende in der Inneren Mongolei gigantische Kohlevorkommenentdeckte, gab es hier nur die glanzlose Großstadt Dongsheng. Kurz darauf benannte dieStadtverwaltung sie in Ordos um und hob den monumentalen Vorzeigebezirk Kangbashi aus der Taufe. Befeuert durch den neuen Reichtum aus dem Rohstoffgeschäft schossen binnen weniger Jahre Protzbauten wiePilze aus dem Boden. Doch der Kohlepreis fiel, und die Immobilienblase platzte schneller als Kangbashi fertiggebaut werden konnte. Weniger als 100.000 Einwohner leben nun auf dem Raum für eine Million Menschenund unterhalten Hotels, Blumenanlagen und Vergnügungsparks, denen die Gäste fehlen.Kangbashi ist mehr Mahnmal bauwütiger Ressourcenverschwendung denn bewohnbare Stadt. Sie ist eineBlüte des zentral geplanten chinesischen Gesellschaftsmodells", sagt Markus Seppercr, der sich schon inmehreren Fotoarbeiten mit der Urbanisierung Chinas auseinandersetzte.Derlei Kritik ist nicht gern gesehen: Zuerst sei er in Kangbashi von einem Auto verfolgt. dann von der Polizei verhört worden, Ein Unbekannter habe ihm am Telefon gedroht, ein Vertreter des AußenministeriumsEinsicht in seine Bilder gefordert. Ob er jemals wieder nach China einreisen darf weiß er nicht.
Texte : Svenja Beller